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Aktuelles Datum und Uhrzeit: 09.11.2024, 19:44 Uhr |
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Titel: Wichtige Informationen aus Mediziner sicht
Verfasst am: 30.09.2003, 00:08 Uhr #75
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Anmeldung: 25. Sep 2003
Beiträge: 122
Wohnort: Berlin
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1 Allgemeines
Die allgemeine Präambel für Unfallchirurgische Leitlinien ist integraler Bestandteil der vorliegenden Leitlinie. Die Leitlinie darf nicht ohne Berücksichtigung dieser Präambel angewandt, publiziert oder vervielfältigt werden.
1.1 Ätiologie
Indirekte Krafteinwirkung über den Kopf, am häufigsten übermäßige axiale Kompressions- sowie Flexionskräfte. Außerdem übermäßige Überstreckungs- (Hyperextension) und Rotationsbeanspruchungen
Typische Unfallursachen
Verkehrsunfälle, z.B. Auffahrunfälle, Fahrzeugüberschläge, Motorrad- und Fahrradstürze
Sportunfälle, z.B. Sprünge in zu flaches Gewässer, Skistürze, Stürze bei Kontaktsportarten, Stürze vom Pferd
Arbeitsunfälle, z.B. Getroffenwerden von einem schweren Gegenstand
"Einfache" Stürze ohne massive Gewalteinwirkung beim alten Menschen (Hyperextensionsverletzungen, Densfrakturen)
Disponierende Erkrankungen
Ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew)
Chronische Polyarthritis
Os odontoideum
Klippel-Feil-Syndrom
Tumorerkrankungen
Selten: direkte Gewalteinwirkung
1.2 Prävention
Adäquates Verhalten im Straßenverkehr, beim Sport und bei der Arbeit unter Beachtung einschlägiger, relevanter Sicherheitsvorschriften
Schutzmaßnahmen an Fahrzeugen, besonders richtig eingestellte Nackenstützen und Sicherheitsgurte; Airbags, Sitzkonstruktion
Sicherung von Gepäckstücken
Beachtung der Anschnallpflicht auch auf den Rücksitzen
Straßenbauliche Maßnahmen
Besonders beim alten Menschen: Vermeidung von Synkopen durch Behandlung von Kreislaufproblemen
1.3 Lokalisation
Unterteilung in Verletzungen der oberen und unteren HWS üblich. Verletzungen können sich vorwiegend im Bereich knöcherner Strukturen (Frakturen), vorwiegend im Bereich von Bandscheiben, Bändern und Gelenkkapseln (ligamentäre Instabilitäten, diskoligamentäre Instabilitäten, Dislokationen, Luxationen, Subluxationen) oder im Bereich von Knochen und Weichgeweben (osteoligamentäre Verletzungen, Luxationsfrakturen) abspielen. Der Ausdruck "Bewegungssegment" bezeichnet den Bereich zwischen zwei Wirbeln mit folgenden anatomischen Strukturen: angrenzende Wirbelkörpergrund- und Deckplatte, Bandscheibe, Inhalt des Spinalkanals, sämtliche Band- und Muskelverbindungen.
Obere HWS
Okzipitalkondylen
Bewegungssegment C0/C1 (atlantookzipital)
Atlas
Bewegungssegment Cl/C2(atlantoaxial)
Axis mit Dens axis
Untere HWS
Bewegungssegmente C2/C3 bis C7/T1
Wirbelkörper
Gelenkfortsätze
Wirbelbögen
Dornfortsätze
Bei allen Verletzungen zusätzlich Läsionen neurogener Strukturen (Medulla oblongata, Rückenmark, Nervenwurzeln) möglich
Kombinationsverletzungen als Serienverletzungen (benachbarte Strukturen) und Mehretagenverletzungen häufig
1.4 Klassifikation
Eine allgemein akzeptierte, übergeordnete Klassifikation gibt es weder für die obere, noch für die untere HWS.
Frakturen der Okzipitalkondylen: Jeanneret 1994
Atlantookzipitale Dislokationen (AOD): Harris et al. 1994
Atlasfrakturen: Gehweiler et al. 1980
Atlantoaxiale Dislokationen (AAD)
Translatorische Dislokation: Keine Einteilung gebräuchlich
Rotatorische Dislokation: Fielding und Hawkins 1977
Densfrakturen: Anderson und D'Alonzo 1974
Traumatische Spondylolisthese: Effendi et al. 1981
Wirbelkörperfrakturen C2: Benzel et al. 1994
Kombinationsverletzungen der oberen HWS: Aebi und Nazarian 1987
Verletzungen der unteren HWS: Aebi 1994, angelehnt an Magerl et al. 1994
Typ A: Kompressionsverletzungen ohne Verletzung des dorsalen Bandkomplexes
Typ B: Distraktionsverletzungen mit Verletzungen des dorsalen Bandkomplexes
Typ C: Rotationsverletzungen
Bei Typ-B- und Typ-C-Verletzungen können auch Typ-A-Verletzungen des Wirbelkörpers vorliegen.
Verletzungen des Rückenmarks: Klassifikation nach Frankel et al (1979), modifiziert von der American Spinal Injuries Association (ASIA) und der International Medical Society of Paraplegia (IMSOP, 1992)
A: Complete. No motor or sensory function is preserved in the sacral segments S4-5
B: Incomplete. Sensory but not motor function is preserved below the neurological level and extends through the sacral segments S4-5
C: Incomplete. Motor function is preserved below the neurological level, and the majority of key muscles below the neurological level have muscle grade less than 3
D: Incomplete. Motor function is preserved below the neurological level, and the majority of key muscles below the neurological level have muscle grade greater than or equal to 3
E: Normal. Motor and sensory functions are normal
2 Anamnese
2.1 Analyse des Unfallhergangs
Verkehrsunfall, besonders häufig betroffen sind "äußere" Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer
Sturz auf den Kopf
Hyperflexions- oder Extensionsmechanismus
Sprung in ein zu niedriges Gewässer
Sprung in suizidaler Absicht
Von schwerem Gegenstand getroffen
2.2 Vorerkrankungen und Verletzungen
Relevante neurologische Vorerkrankungen
Relevante Vor- und Begleiterkrankungen, besonders eine Tumoranamnese
Vorbestehende Erkrankungen der Wirbelsäule, besonders Achsenfehlstellungen, degenerative Veränderungen, rheumatoide Arthritis und eine ankylosierende Spondylitis
Nackenschmerzen, okzipitaler Kopfschmerz, Migräne vor dem Unfallereignis
Schwindel vor dem Unfallereignis
Thrombosen, Embolien
Alkohol-, Nikotinabusus
Allergien, speziell Medikamenten- und Metallallergien
Medikamenteneinnahme, besonders gerinnungshemmende Medikamente (z.B. Azetylsalizyl-Säure, ASS)
2.3 Wichtige Begleitumstände
Abklärung der funktionellen und sozialen Situation vor dem Unfall
Bisherige Behandlung der Verletzung
Bisherige Behandlung unfallunabhängiger Wirbelsäulenbeschwerden
2.4 Symptome
Spontaner Nackenschmerz
Neurologische Ausfallserscheinungen
Bewegungsschmerz bis zur Bewegungsunfähigkeit
Haltungsinsuffizienz des Kopfes
Weitere Symptome siehe unter Diagnostik
3 Diagnostik
3.1 Notwendig
Körperliche Untersuchung (grundsätzlich der gesamten Wirbelsäule)
Lokal
Spontane örtliche Schmerzen, Schwellung, Hämatom, Hautkontusionen, Abschürfungen, Achsenabweichung der Dornfortsätze, örtliche Gibbusbildungen
Tastbare Lücke zwischen Dornfortsätzen, örtlicher Druck-, Klopf- und/oder Stauchungsschmerz über den dorsalen Wirbelelementen
Haltungsinsuffizienz des Kopfes
Bewegungsschmerz, schmerzhaft eingeschränkte aktive und passive Beweglichkeit
Beurteilung des "Bewegungsablaufs"
Neurologisch (an der Unfallstelle)
Bei wachen Patienten möglichst genaue Erhebung des neurologischen Befundes in Abhängigkeit von der Gesamtverletzungsschwere und wenn möglich vor Analgosedierung/Narkose, besonders Überprüfung der peripheren Motorik und Sensibilität im Seitenvergleich und ggf. Bestimmung der Läsionshöhe
Neurologisch (im Krankenhaus)
Erfassung aller sensiblen und motorischen neurologischen Ausfallserscheinungen einschließlich einer möglichen sakralen Aussparung
Blasen- und Mastdarmfunktion
Bewußtseinsverlust, Hirnnervenlähmung und Kleinhirnfunktionsstörungen (A. vertebralis)
Allgemeinzustand
Begleitverletzungen, besonders am Kopf
Neurologische Verlaufskontrollen während der weiteren Diagnostik und Therapie
Laboruntersuchung
Laboruntersuchungen unter Berücksichtigung von Alter, Begleiterkrankungen und -verletzungen
Kreuzblut für Blutgruppe und Blutkonserven in Abhängigkeit von der Verletzungsschwere und den Begleitverletzungen
Bildgebende Untersuchung
Bei SHT mit Bewußtlosigkeit muß die gesamte HWS bildgebend dargestellt sein.
Röntgenaufnahmen der HWS in 2 Ebenen bis einschließlich der Deckplatte
Transorale Aufnahme a. p.
Brust- und Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen
Bei klinischem oder anamnestischen V.a. eine Mehretagenverletzung der Wirbelsäule
Bei Bewußtlosen mit entsprechendem Unfallmechanismus und beim Polytraumatisierten
Funktionsaufnahmen oder Funktionsprüfung unter Bildverstärkerkontrolle beim wachen, kooperativen Patienten und nach Ausschluß einer knöchernen Verletzung oder Luxation und unter folgenden Bedingungen
Bei V.a. eine diskoligamentäre Instabilität auf den Übersichtsaufnahmen
Bei neurologischem Defizit ohne erkennbare Verletzung auf den Übersichtsaufnahmen. Alternativ kann auch zunächst eine MRT durchgeführt werden
Funktionsuntersuchung unter Bildverstärker bei bewußtlosem Patienten mit V.a. eine diskoligamentäre Instabilität evtl. geplant verzögert oder unter Bildwandlerkontrolle (s.u.)
CT möglichst als Spiral-CT mit multiplanaren Rekonstruktionen vorwiegend zur Beurteilung knöcherner Verletzungen und Dislokationen besonders
Bei V.a. Einengung des Spinalkanals und/oder Verletzung dorsaler Wirbelanteile
Bei V.a. eine Verletzung des kraniozervikalen Übergangs und des Atlas
Bei V.a. eine Verletzung des zervikothorakalen Übergangs, die mit konventionellen Röntgenaufnahmen nicht darstellbar ist
MRT bei neurologischem Defizit, dessen Ursache durch keine andere bildgebende Untersuchung geklärt werden konnte
3.2 Fakultativ
Bildgebende Untersuchung
Schrägaufnahmen besonders bei
V.a. eine Rotationssubluxation oder
V.a. eine Gelenkfortsatzfraktur
Schwimmer- oder Fechteraufnahme besonders bei
ungenügender Darstellbarkeit des zervikothorakalen Übergangs
V.a. eine Verletzung des zervikothorakalen Übergangs
Funktionsuntersuchung unter Bildwandlerkontrolle, z.B. zur Abklärung des Instabilitätsausmaßes einer bekannten Verletzung
MRT besonders bei neurologischem Defizit und zum Nachweis von
Schäden am Myelon
Einblutungen im Spinalkanal
Weichteilverletzungen
Bandscheibenschäden
Knochenödem, Knocheninfiltration
Angiographie
z.B. bei V.a. eine Läsion der Vertebralarterien
Kraniales CT oder MRT
z.B. bei V.a. Hirnstamm- oder Kleinhirnfunktionsstörungen im Rahmen einer Läsion der Vertebralarterien
3.3 Ausnahmsweise
Bildgebende Untersuchung
Myelographie
Funktions-CT
Funktions-MRT
Myelo-CT
Sonographie
3.4 Nicht erforderlich
Entfällt
3.5 Diagnostische Schwierigkeiten
Erkennen und Interpretation einer HWS-Läsion, insbesondere
Bewertung angegebener Schmerzen und Einordnung eines subjektiven Instabilitätsgefühls
Überlagerung schwerwiegender anderer Verletzungen, insbesondere am Kopf und beim Polytrauma
Vollständige röntgenologische Darstellung des verletzten Wirbelsäulenabschnitts
Genaue Projektion des verletzten Wirbelsäulenabschnitts
Ausreichende Qualität der Röntgenaufnahmen
Interpretation von Röntgenbildern
Erkennen einer Zwei- oder Mehretagenverletzung
Bewertung des Instabilitätsgrads einer Läsion z.B. durch Funktionsuntersuchung
Abgrenzung einer pathologischen Fraktur
Erhebung und Interpretation des neurologischen Befundes, auch im weiteren Verlauf
3.6 Differentialdiagnose
Folgezustände vorausgegangener Verletzungen (z.B. Denspseudarthrose)
Os odontoideum
Vorbestehende Myelopathie
Vorbestehende neurologische Erkrankungen insbesondere des Rückenmarks und der peripheren Nerven
Degenerative Veränderungen an Knochen, Gelenken und Bandscheiben
Pathologische Fraktur
Rheumatoide Arthritis
Angeborene Fehlbildungen und -haltungen, z.B. unvollständiger Bogenschluß des Atlas
Blockwirbelbildungen
Persistierende Apophysen
Schädelhirntrauma bei neurologischen Ausfallserscheinungen und Läsionen der A. vertebralis
4 Notfall- und Erstversorgung
Die bakterielle Gelenkinfektion ist eine Notfallsituation, die einer sofortigen chirurgischen Therapie zugeführt werden muß.
4.1 Präklinisch
Beim Bewußtlosen und bei V.a schwere HWS-Verletzung:
Rettung und Lagerung möglichst unter axialem Längszug
Anlage einer passenden, steifen Zervikalorthese (z.B. STIFNECK®; Vorsicht: Überdistraktion möglich!)
Keine Repositionsmanöver an der Unfallstelle
Transport mit Vakuummatratze oder spine board unter zusätzlicher Fixierung des Kopfes mit Klettbändern
Bei vorbestehender Verkrümmung der Wirbelsäule, z.B. bei M. Bechterew, Lagerung in der vorbestehenden Stellung
Bei Kindern evtl. Unterstützung des Rumpfes, da durch den überproportinalen großen Kopf bei Flachlagerung eine Flexion der HWS provoziert wird
Fakultativ Gabe einer Bolusdosis von Methylprednisolon (NASCIS-Schema)
4.2 In Klinik oder Praxis
Bei medullärer, das Rückenmark betreffender neurologischer Symptomatik
Unverzüglich ultrahochdosierte Methylprednisolontherapie für 24 Stunden nach NASCIS-Schema empfohlen; ggf. Fortsetzung des präklinischen Therapiebeginns
Notfallmäßig geschlossener Repositionsversuch und Retention durch Extensionsbehandlung oder Anlage eines Halo-Fixateurs unter BV-Kontrolle bei neurologischen Ausfallserscheinungen mit Fehlstellung und/oder knöcherner Einengung des Spinalkanals
Bei Fehlstellungen ohne neurologischem Defizit
Reposition frühzeitig anstreben
Bei Rotationssubluxationen und beidseitigen Luxationen verzögerte Reposition nach MRT-Diagnostik zur Frage einer möglicherweise nach dorsal verlagerten Bandscheibe
Bei ausreichender äußerer Ruhigstellung zunächst Verlegung in ein Schwerpunktkrankenhaus möglich
Bei frühzeitigem Operationstermin Reposition auch unmittelbar präoperativ möglich
5 Indikation zur definitiven Therapie
5.1 Nichtoperativ
Bei allgemeinen oder lokalen Kontraindikationen gegen eine Operation
Bei Verletzungen, bei denen im weiteren Verlauf keine Verschiebung oder Fehlstellung droht
Obere HWS (C0-C2)
Frakturen der Okzipitalkondylen ohne Instabilität im Segment C0/C1
Stabile Atlasfrakturen ohne Ruptur des Lig. transversum atlantis
Frische rotatorische atlantoaxiale Instabilitäten
Abrißfrakturen des Dens axis (Typ 1) ohne atlantoaxiale Instabilität
Stabile, unverschobene Densfrakturen (Typ II und Typ III)
Unverschobene traumatische Spondylolisthesen C2 (Typ I) und ein Teil der verschobenen traumatischen Spondylolisthesen (Typ II)
Untere HWS
Impressions- und Keilfrakturen der Wirbelkörper bei unverletzter Hinterkante
Abrißfrakturen von Wirbelkörpern ohne Instabilität des Bewegungssegments
Dornfortsatzfrakturen ohne Instabilität des Bewegungssegments
Gelenkfortsatzfrakturen ohne Instabilität des Bewegungssegments
Laminafrakturen ohne Instabilität des Bewegungssegments
Distorsionen der HWS
Verletzungen mit neurologischem Defizit, aber ohne nachweisbare knöcherne oder diskoligamentäre Verletzung und ohne Myelonkom-pression ("Spinal cord injuries without radiographic abnormalities" SCIWORA-Syndrom)
Weitere Verletzungen ausnahmsweise
5.2 Operativ
Heute operative Behandlung vieler HWS-Verletzungen wegen frühzeitiger Mobilisierbarkeit des Patienten, des Patientenkomforts und einer sichereren Ausheilung.
Etablierte Operationsindikationen
Obere HWS
Geschlossen nicht retinierbare atlantookzipitale Dislokationen
Translatorische atlantoaxiale Dislokationen
Dislozierte Typ-II-Frakturen des Dens axis ("transdentale Luxationsfrakturen")
Densfrakturen mit Trümmerzone
Traumatische Spondylolisthesen mit Verhakung der Gelenkfortsätze (Typ III)
Verletzungen, die sich bei konservativer Behandlung nicht befriedigend retinieren lassen
Untere HWS
Alle Verletzungen mit Einengung des Spinalkanals durch Knochen- und/oder Bandscheibenmaterial mit neurologischem Defizit
Frakturen mit Zerreißung des dorsalen Bandkomplexes (Typ B und C, "Luxationsfrakturen", "tear-drop-Frakturen")
Gelenkfortsatz- oder Laminafrakturen mit Kompression einer Nervenwurzel
Beidseitig reitende oder verhakte Luxationen ("diskoligamentäre Instabilitäten")
Hyperextensionsverletzungen (Typ B3)
Verletzungen, die sich bei konservativer Behandlung nicht befriedigend retinieren lassen
Weitere, empfehlenswerte Operationsindikationen
Obere HWS
Unverschobene Typ-II-Frakturen des Dens axis, besonders bei alten Patienten
Dislozierte Typ-III-Frakturen des Dens axis
Instabile Atlasberstungsfrakturen mit Ruptur des Lig. transversum atlantis
Untere HWS
Kompressions- und Berstungsfrakturen ohne neurologischem Defizit mit größerer kyphotischer Knickbildung
Beidseitige Subluxationen
Rotationssubluxationen (einseitig reitende oder verhakte Luxationen)
Relative Operationsindikationen
Bei einer Reihe von Verletzungen der HWS sind die Operationsindikationen noch in der Diskussion. Sie werden vielfach auch konservativ behandelt.
Obere HWS
Geschlossen retinierbare atlantookzipitale Dislokationen
Traumatische Spondylolisthesen mit Instabilität im Bewegungssegment C2/C3 (Typ II)
Unverschobene Densfrakturen des Typs III
Untere HWS
Kompressionsfrakturen eines Wirbelkörpers (Typ A) mit Beteiligung der Hinterwand, aber ohne neurologischem Defizit
Unvollständige diskoligamentäre Instabilität eines Bewegungssegments (Subluxation)
Ausgedehnte, mehrsegmentale Läsionen
5.3 Stationär/ambulant
Konservativ mit einer Zervikalstütze behandelte Verletzungen ambulant, selten stationär
Konservativ mit einem Halo-Fixateur oder Minerva-Gipsverband behandelte Verletzungen anfangs stationär
Konservativ behandelte Verletzungen mit neurologischem Defizit ausschließlich stationär
Operative Behandlung ausschließlich stationär
6 Therapie nichtoperativ
6.1 Logistik
Der Umfang der verfügbaren Logistik richtet sich nach der Schwere der üblicherweise behandelten Verletzungen.
Räumliche, organisatorische und personelle Voraussetzungen für Diagnostik und konservative Behandlung von Verletzungen der Halswirbelsäule
Zervikale Orthesen, Extensionsbügel und/oder Halo-Fixateur zeitgerecht verfügbar
6.2 Begleitende Maßnahmen
Thromboseprophylaxe
Aufklärung über Alternativverfahren
Physiotherapie und Atemgymnastik
Dekubitusprophylaxe
Abklärung der Kooperationsfähigkeit des Patienten
6.3 Häufigste Verfahren
Verzicht auf äußere Ruhigstellung z.B. bei Distorsionen
Weiche Zervikalstütze z.B. bei Distorsionen
Harte Zervikalstütze
Geschlossene Reposition
Ruhigstellung mit
Halo-Fixateur
Halo-Ring mit Gipsweste
6.4 Alternativverfahren
Minerva-Gipsverband (Kopf-Brust-Gipsverband)
6.5 Seltene Verfahren
Extensionsbehandlung
Spezielle Orthesen mit Abstützung an Brustkorb, Hinterhaupt und Kinn, z.B. SOMI-Brace
6.6 Zeitpunkt
Beginn der Behandlung sofort nach Sicherung der Diagnose
6.7 Weitere Behandlung
Bei Behandlung mit Zervikalstütze
Schmerzabhängig so früh wie möglich begleitende spezielle physiotherapeutische Übungsbehandlung
Fakultativ antiphlogistische Behandlung
"Ausschleichen" der Behandlung mit Zervikalstütze durch stundenweises Weglassen so früh wie möglich
Bei Behandlung mit Halo-Fixateur, Halo-Ring oder anderer aufwendiger Orthesen
Regelmäßiges Nachziehen der Verankerungsstifte und Wundkontrolle und -pflege der Eintrittsstellen
Bei Problemen evtl. Umsetzen der Stifte
Bei reponierten Verletzungen: regelmäßige Röntgenkontrollen und ggf. Nachkorrektur der Fehlstellung oder Verfahrenswechsel
Fakultativ antiphlogistische Behandlung
Nach Abnahme des Halo-Fixateurs oder Beendigung der Extensionsbehandlung spezielle physiotherapeutische Übungsbehandlung
Überprüfung des Behandlungsergebnisses durch Funktionsaufnahmen
Bei Behandlung mit einem Minerva-Gipsverband
Regelmäßige Gipskontrollen
Bei reponierten Verletzungen: regelmäßige Röntgenkontrollen und ggf. Nachkorrektur der Fehlstellung oder Verfahrenswechsel
Nach Abnahme des Gipsverbandes spezielle physiotherapeutische Übungsbehandlung
Überprüfung des Behandlungsergebnisses durch Funktionsaufnahmen
6.8 Risiken und Komplikationen
Psychische Probleme
Atrophie von Muskeln und Knochen
Einsteifung benachbarter Bewegungssegmente mit verlängerter Rehabilitationsphase
Druckstellen und hygienische Probleme
Verzögerte Bruchheilung und Pseudarthrose
Verbleibende Instabilität
Achsenfehlstellungen
Redislokation
Sekundäre Dislokation, evtl. mit Kyphose und zervikaler Myelopathie
Verschlechterung des neurologischen Befundes oder erstmaliges Auftreten von neurologischen Ausfällen
Besonders bei Extensionsbehandlung
Überdistraktion
Thrombose und Embolie
Dekubitus
Pneumonie
Infektion der Eintrittsstellen (Weichteile, Knochen, Hirn)
Bei Behandlung mit einem Halo-Fixateur
Lockerung der Stifte
Folgeverletzungen bei Sturz
Infektion der Eintrittsstellen (Weichteile, Knochen, Hirn)
Liquorleck bei Schädelperforation
Temporallappeninfekt
Verletzungen Nn. supraorbitalis oder supratrochlearis
Störende Narben
Einschränkungen des Blickfeldes
Besondere Vorsichtsmaßnahmen im Straßenverkehr
7 Therapie operativ
7.1 Logistik
Räumliche, organisatorische und personelle Voraussetzungen für Diagnostik und Behandlung von Verletzungen der HWS, des Rückenmarks und der Nervenwurzeln
Lagerungshilfen, Instrumente und Implantate für Operationen zur Behandlung von Verletzungen der HWS, des Rückenmarks und der Nervenwurzeln
Fakultativ Titanimplantate
Bildverstärker
Instrumente und Implantate für intraoperative Komplikationen
Fakultativ Cell-Saver
7.2 Perioperative Maßnahmen
Antibiotikagabe fakultativ
Thromboseprophylaxe
Abklärung lokaler Vorerkrankungen
Aufklärung über die Therapie, deren Alternativverfahren sowie über Risiken und Prognose
7.3 Häufigste Verfahren
Bei allen Operationen ist die Reposition von Fehlstellungen wesentlicher Teil des Verfahrens. Sie kann entweder geschlossen durch spezielle Lagerungsmaßnahmen und/oder durch offene, chirurgische Repositionstechniken vorgenommen werden. Es gilt das Prinzip, so wenig Bewegungssegmente wie möglich zu versteifen.
Atlantookzipitale Dislokationen (AOD)
Okzipitozervikale Fusion von dorsal mit Platte(n) und autogener Knochentransplantation
Atlasfrakturen
Osteosynthese des Atlasrings und dorsale atlantoaxiale Fusion mit autogener Knochentransplantation
Atlantoaxiale Dislokationen (AAD)
Dorsale atlantoaxiale Fusion mit Zerklagen und autogener Knochentransplantation
Dorsale atlantoaxiale Fusion mit transartikulärer Verschraubung CI/C2 und autogener Knochentransplantation
Densfrakturen
Ventrale Zugschraubenosteosynthese nach geschlossener Reposition
Ventrale Osteosynthese mit Antigleitplättchen
Bei Kontraindikation zur ventralen Zugschraubenosteosynthese: primäre dorsale atlantoaxiale Spondylodese
Traumatische Spondylolisthesen C2 (Hangman-Fraktur)
Ventrale interkorporelle Spondylodese C2/C3
Zugschraubenosteosynthese von dorsal (n. Judet)
Dorsale Spondylodese C2/C3 evtl. kombiniert mit Verschraubung und Reposition C2/C3
Kombinierte Verletzungen der oberen HWS
Evtl. Kombination aus innerer und äußerer Stabilisierung
Verletzungen der unteren HWS
Dekompression von Rückenmark und Nervenwurzeln je nach Lokalisation von ventral und/oder dorsal
Ventrale interkorporelle Spondylodese mit Platte und autogener Knochentransplantation
Dorsale Spondylodese mit Platte(n) und autogener Knochentransplantation
7.4 Alternativverfahren
Verletzungen der unteren HWS
Dorsale Spondylodese mit Platte(n) ohne autogene Knochentransplantation
Densfrakturen
Dorsale atlantoaxiale Fusion mit Zerklagen, besonders bei osteoporotischem Knochen im Senium
Dorsale atlantoaxiale Fusion von dorsal mit transartikulärer Verschraubung
7.5 Seltene Verfahren
Verletzungen der unteren HWS
Ventrale interkorporelle Spondylodese mit Platte und Wirbelkörperersatz
Kombinierte ventro-dorsale oder dorso-ventrale Spondylodese
Densfrakturen
Direkte Reposition des Dens mit Repositionszange und anschließender Verschraubung
Verletzungen der unteren HWS
Dorsale Spondylodese mit Zerklagen
7.6 Operationszeitpunkt
Angaben zum Operationszeitpunkt ohne Berücksichtigung von möglichen Zusatzverletzungen, dem Allgemeinzustand des Patienten und spezieller infrastruktureller Bedingungen des Krankenhauses. Durch diese und andere Faktoren kann sich das Vorgehen im Einzelfall ändern.
Notfalloperation:
Verletzungen mit inkomplettem neurologischem Defizit und einer Myelonkompression, die durch Fehlstellung und/oder Einengung des Spinalkanals zustande kommt und durch geschlossene Repositionsmaßnahmen nicht beseitigt werden kann
Progredienz neurologischer Ausfälle
Verletzungen mit hochgradiger, nicht retinierbarer Instabilität
Auch wenn der Vorteil einer Notfalloperation bei kompletter Querschnittssymptomatik mit Myelonkompression bis jetzt nicht bewiesen ist, sollte diese nach Möglichkeit angestrebt werden.
Frühzeitig, d.h. innerhalb der ersten Tage
Verletzungen mit inkomplettem oder komplettem neurologischem Defizit, wenn nach der Einrichtung eine mechanische Einengung des Wirbelkanals durch Bandscheiben- oder Knochenmaterial sicher ausgeschlossen und die Verletzung retiniert werden kann
Bei raschem Rückgang einer neurologischen Störung
Bei allen instabilen Läsionen, die durch äußere Maßnahmen ausreichend zu reponieren und retinieren sind
7.7 Postoperative Behandlung
Thromboseprophylaxe, solange der Patient bettlägerig ist
Physiotherapie
regelmäßige Wundkontrolle
Mobilisation so früh wie möglich
postoperative Röntgenkontrollen
postoperative CT-Kontrolle nach Dekompression
falls erforderlich: Verfahrenswechsel
7.8 Risiken und Komplikationen
Allgemeine Risiken
Thrombose, Embolie
Gefäßschäden
Wundinfekt
Nachblutung, Hämatom
Verletzung von Halseingeweiden, besonders des Ösophagus
Spezielle Risiken
Verschlechterung des neurologischen Befundes
Schrauben- und Plattenlockerungen
Schraubenwanderungen
Schraubenfehllagen
Verletzung der A. vertebralis
Implantatbrüche
Schluckstörungen/Aspiration
Läsionen des N. laryngeus recurrens
Horner-Syndrom
Bei allen Spondylodesen: Ausbleiben der knöchernen Heilung
Bei Osteosynthesen des Dens axis: Ausbleiben der knöchernen Heilung mit Bildung einer Pseudarthrose
8 Weiterbehandlung
8.1 Rehabilitation
Physiotherapie
Dosierter Belastungsaufbau
Ggf. Sekundäreingriffe an Implantat, Knochen und an Weichteilen
8.2 Kontrollen
Regelmäßige klinische, neurologische und/oder röntgenologische Kontrollen bei konservativer und operativer Therapie
8.3 Implantatentfernung
Nach abgeschlossener knöcherner Heilung selten erforderlich
Bei Implantatlockerung evtl. früher nötig
8.4 Spätkomplikationen
Degenerative Veränderungen von Bewegungssegmenten
Dekompensation angrenzender Wirbelsäulenabschnitte
Syringomyelie
Zervikale Myelopathie bei stark ausgeprägter Kyphose
Radikuläre neurologische Ausfälle
8.5 Dauerfolgen
Bleibende neurologische Störungen
Chronische, häufig belastungsabhängige Beschwerden
Bewegungseinschränkungen
Restbeschwerden trotz röntgenologisch nachgewiesener Heilung
9 Klinisch-wissenschaftliche Ergebnis-Scores
9.1 Scores zur Beurteilung des neurologischen Verlaufs
Einschätzung der Muskelkraft entsprechend dem Vorschlag des British Medical Research Council in 6 Stufen
Gebräuchlichstes Einteilungsschema nach Frankel (1969) in 5 Gruppen; Modifikation 1992 von der American Spinal Injury Association (ASIA) in Zusammenarbeit mit der International Medical Society of Paraplegia (IMSOP)
Detaillierte ASIA/IMSOP-Klassifikation von Verletzungen des Rückenmarks
9.2 Scores zur Beurteilung des radiologischen Verlaufs
Keine allgemein anerkannten Scores bekannt
9.3 Scores zur Beurteilung des klinischen Verlaufs
Keine allgemein anerkannten Scores zur Beurteilung des klinischen Verlaufs bei Traumapatienten bekannt
10 Prognose
10.1 Verletzung neurogener Strukturen
Nervenwurzelläsionen
Durch Kompression: nach Dekompression gute Prognose
Durch Zerrung oder Ausriß: schlechtere Prognose
Inkomplette Querschnittsyndrome
Erholung in 60-80% teilweise oder ganz
Komplette Querschnittsyndrome
Funktionell bedeutsame Erholung nur in Einzelfällen
Neurologische Spätprobleme können z.B. progrendiente sensomotorische Ausfälle bei Syringomyelie sowie Schmerzen und Spasmen sein
10.2 Röntgenologische Prognose
Sehr hohe Heilungsrate bei Fusionen der oberen und unteren HWS
5-10% Pseudarthroserate bei Densosteosynthesen
10.3 Klinische Prognose
Häufiger Restbeschwerden ohne röntgenologisches Korrelat
Bei Verwendung von autogenen Knochenspänen: evtl. Schmerzen an der Spanentnahmestelle
Bei Tetra- und Paraplegikern verschiedene, auch nicht voraussehbare Komplikationen möglich, z.B. urologische Probleme (Blasenentleerungsstörungen, Harnrückstau, Infekte), orthopädisch-statische Probleme (progrediente Wirbelsäulenfehlstellung, Kontrakturen, Spontanfrakturen bei Osteoporose), gastroenterologische Probleme (Koprostase, Analfissuren) u.v.m.
11 Prävention von Folgeschäden
Vermeidung von Extrembewegungen und -belastungen in der Heilungsphase
Nach Abschluß der knöchernen Heilung sind keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen mehr erforderlich
Bei Patienten mit Querschnittläsion:
Von Anfang an konsequente (intensivmedizinische) Betreuung unter besonderer Beachtung der Herz-Kreislauf- und respiratorischen Probleme
Diffenzierte Lagerungstherapie zur Verbesserung der pulmonalen Funktion und Prävention von Druckgeschwüren
Verlegung in ein Querschnittzentrum so früh wie möglich
Regelmäßige, lebenslange und umfassende, ganzheitliche Kontrollen (Check-up)
Regelmäßige sportliche Betätigung und Training ("Tetrasport", Rollstuhlsport).
Umgestaltung von Wohnung, Arbeitsplatz, Kraftfahrzeugen usw. Dadurch u. a. auch Verminderung von akzidentellen Unfällen
Quelle: www.Uni-Düsseldorf.de |
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